Hinter dem Horizont



 






Gehen, loslassen, abtauchen
in ein anderes Denken,
in ein anderes Fühlen,
einfach nur laufen.



Es ist mal wieder so weit,
 ich laufe.
Laufe einfach nur so,
marschiere querfeldein,
atme, schaue und laufe.
Ab und zu hüpfe ich auf einem Bein
oder auf beiden über eine Pfütze,
einen Stock, eine Wurzel.

Der Tag bricht an
und das fahlgraue Licht
wird gebrochen
von einigen wenigen
Sonnenfingern,
die an dem Rand
der untergehenden Nacht zupfen.

Ich bin nun schon
eine Stunde unterwegs
und stelle fest,
meine Sinne schärfen sich.
Ich sehe weiter und klarer,
höre Laute,
die mir heute Morgen
 noch verschlossen waren.
Stehen bleiben,
verharren, besinnen,
lauschen, schauen.

Die Sonne hat sich
an kleinen Wolken emporgezogen,
setzt sie sich auf die Nase
auf die Stirn,
krönt sich mit ihnen,
legt sie sich als Kragen um.
Die Stimmen in  den Wiesen,
auf den Bäumen vereinigen sich
zu einer Sinfonie des Erwachens
und der Freude am Leben.

Jeder meiner Schritte
endet mit einem leisen Seufzen
des noch feuchten Erdbodens
und flüstert mir nach:
voran, laufen, gehen, atmen,
horchen, riechen, schauen.
Die Blumen und Bäume
nicken dazu im Takt,
den der leise singende Wind
ihnen vorgibt.

Doch es zieht mich weiter.
Wohin tragen mich meine Füße?
Ich sehe den Horizont schimmern
und weiß, da will ich hin
und einmal dahinter schauen.
Will sehen, wo der Raum
mit den zarten Gardinen,
mit den milden Farbtönen  ist,
in der Tag und Nacht
den kurzen Austausch
der Berührung tanzen.

Ich werde weiter gezogen,
von ferne erklingt,
sich hinauf zum Himmel schwingend,
ein Glockenlied,
das von Pause kündet
und die Menschen zu Tisch ruft.
Doch das gilt heute nicht für mich.
Ich esse und trinke, wie die Tiere,
wenn es mich danach wirklich verlangt,
ohne dass die Zeit mich dazu drängt.

Und Laufen,
nicht vergessen, das Laufen.
Ich verlasse den Schritte dämpfenden
Feldweg und kann nun
im Wechsel meine Füße sprechen hören.
Laufen, Voran, Rechts Links, Voran…
Die Stimmen klingen lauter,
ein Echo hallt nach
und der Wind
bläst den Staub mir entgegen.

Noch immer liegt der Horizont weit.
Gepflasterter Weg endet im Wiesengrün
und gedämpft sind nun wieder
alle Schritte, Bewegungen.
Nur die Stimmen der Lerchen
hörte ich nie zuvor
so hell und jubilierend.

Wolken zogen schneller als ich,
ließen der Sonne den Raum,
den sie ausfüllt mit der Wärme,
die sich prickelnd
über die nackte Haut tastet,
das Riechen,
Fühlen intensiver macht.
Ich sehe die Gerüche
in den Strahlen tanzen,
Farben betupfen und mischen sich
mit dem Grün des Landes.

Die Sonne ist ermattet,
sie möchte den Tag
an den Abend abgeben
und Venus singt ihr Lied,
geleitet den Mond zum Firmament,
Übergang von Tag zur Nacht,
blaue Stunde
die so viel Allmacht zeigt,
diese Stunde ist mein Gebet,
ist meine Kirche, mein Fühlen.

Warum wird es mir so eng in der Brust?
Die ganze Schönheit lässt mich kaum atmen.
Ich breite meine Arme aus und singe.
Dankbarkeit überflutet mich,
Dankbarkeit für diese herrliche Welt.
Und mein Fühlen wird weiter,
mein Atem saugt Leben.

Ich lebe, ich fühle, ich laufe

unendliche Wege,
Wege des Lebens

floravonbistram